Tag III / I
Pripyat.de Tour September 2012
Letzter Tag. Teil I
Ein neuer und letzter Tag der Reise bricht ein. Nach dem leider misslungenen Versuch eine Genehmigung für den Besuch der Antennen von Tschernobyl - 2 zu bekommen, geht es
ganz spontan nach Pripjat. Dieser letzte Tag soll ohne Eile und Stress etwas zu verpassen verbracht werden. Oftmals ergeben sich in der Zone ganz zufällig sehr spannende und
interessante Momente. Und so kommt es dann auch: auf dem Weg liegt die Bahnsation Janiw, die in letzter Zeit nach einem Vorfall kein willkommener Ort für Besucher geworden ist.
Um nicht aufzufallen, nehmen wir einen Umweg durch den Wald zu einem kleinen Abstellplatz für kontaminierte Militärtechnik.
Zu Unfallzeiten war hier eine Instandsetzungswerkstatt. Die hoffnungslos kontaminierten Panzerfahrzeuge wie die IMR Pionierpanzer und MDK-2M Grubenaushubmaschinen stehen
hier immer noch in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Bei allen Fahrzeugen sind vor allem Ketten und eingefettete Teile stark kontaminiert. Diese Maschinen wurden wegen ihrer
Panzerung und dem Greifarm direkt an der vorderen Front, in den Ruinen des explodierten Reaktorgebäudes eingesetzt. Die starke Kontamination der Maschinen sorgt dafür das
hier nichts abhanden kommt. Seit meinem letzten Besuch in 2009 hat sich hier absolut nichts verändert. Hoffentlich bleibt das auch weiterhin so...
Video: Verlassene Militärtechnik neben der Bahnsation Janiw
Der Weg von Janiw nach Pripjat nimmt nur ein paar Minuten Autofahrt in Anspruch. Mitten in Pripjat, auf dem Zentralplatz, umgeben von dem Hotel, dem Restaurant und dem Kulturpalast
lässt man einen kurzen Augenblick die menschenlose Atmosphäre auf sich wirken. Vom Jahr zu Jahr wird der unaufthalsame Verfall immer deutlicher. Das “Weisse Haus” mit der gelben
Telefonzelle an der Ecke hat den Glanz der vergangener Tage fast verloren und wirkt nur noch ermüdend grau. Selbst hier, im einbetonierten Stadtzentrum, macht die Natur keinen Halt
und holt sich alles, einst von Menschen weggenommene, restlos zurück. Die Gebäude versinken buchstäblich zwischen den überall wuchernden Büschen und Bäumen...
Nach der Kreuzung der Kurtschatow und Lesja Ukrainka Str. geht es zum Industriegebiet am Stadtrand in der Sawodskaja Str. Ein unauffälliger Weg führt am ehemaligen Zentrum für
radiologisch-ökologisches Monitoring namens “RADEK” vorbei. Etwa einhundert Meter weiter befindet sich auf der linken Seite ein betonierter Abstellplatz wo der berühmt - berüchtigte
Greifer zusammen mit anderen stark kontaminierten Gerätschaften ruht. Hier werden wir fündig: ganz in der Nähe scheint unter dem Moos etwas besonders hochradioaktives sich zu
verstecken. Bei dem Versuch die Ursache der Strahlung im Moos zu lokalisieren, kommt ein winziges schwarzes Sandkorn zum Vorschein. Die Messung ergibt einen unglaublich
hohen Wert von 18 mSv/h. Es ist ein Fragment eines bereits bestrahlten Brennsftoffelementes, das bei der Explosion des Reaktors herausgeschleudert wurde und während den
Aufräumarbeiten an einem Roboter oder einem anderem Fahrzeug haften blieb. Von allen bereits gesehenen “heissen Teilchen” ist dieses Fragment definetiv das größte und weist
dementsprechend die höchsten Strahlenwerte auf.
Video: Hochkontaminierter Greifer und andere Hotspots
Jetzt wird das Gebäude von “Radek”, das ehemalige Zentrum für radiologisch - ökologisches Monitoring unter die Lupe genommen. Es gibt noch eine andere Bezeichnung für diesen
Betrieb - “das Labor für externe Dosimetrie”. Extern - bedeutet in diesem Fall, dass von hier aus die dosimetrische Überwachung der gesamten Sperrzone druchgeführt wurde. Die
gesammelten Ergebnisse wurden hier ausgewertet und archiviert. Ebenso hat man den technischen Part der Überwachung hier bewerkstelligt. Das bezeugt eine direkt vor dem
Eingang liegengelassene Sonde eines Strahlendetektors. Da möchte man auf die Erkundung innerer Räumlichkeiten auf gar keinen Fall verzichten...
Die Fabrik “Jupiter” liegt quasi um die Ecke, so möchte man die Nähe nutzen um sich in oberen Stockwerken des Verwaltungs-/Laborgebäudes umzuschauen. Die Fabrik ist wegen
der Abgelegenheit und eines großen Altmetallvorrats ein sehr beliebter Ort für die legalen oder illegalen Schrottjäger. Aus dem Grunde hat man neuerdings, um dem Ärger aus dem
Weg zu gehen, “Jupiter” aus der Liste der “genehmigungsfähigen” Objekte ausgesondert. Mit anderen Worten - die Besucher sind hier überhaupt nicht willkommen. Das Auto bleibt
auf dem Innenhof der ehemaligen Elektrowerkstatt stehen, der weitere Weg führt durch ein schmallen Waldstreifen direkt zum Eingang der Fabrik “Jupiter”...
In den oberen Stockwerken waren diverse Laborräume, kleinere Werkstätten und Konstruktionsbüros untergebracht. Die Räumlichkeiten befinden sich seit dem Unfall nicht mehr in
ihrem Originalzustand. Nach dem Unfall wurde die Fabrik aufgegeben und später von “Spezatom” bezogen - einer Organisation, die sich auf die Folgenbeseitigung von nuklearen
Zwischenfällen spezialisiert hat. “SpezAtom” hatte bis Ende Neunziger hier seinen Standort... Ein gelber Plastikbecher mit dem Radioaktivitätswarnzeichen, gefunden auf der
Fensterbank in einem der Büroräume, entpuppt sich schnell als ein Rauchmelder aus sowjetischer Herstellung. Als Ionisationsquelle wurde hier Plutonium verwendet... Ein weiterer
völlig dunkler Raum wurde zur Lagerung verschiedenster elektronischer Bauteile und Gerätschaften für Dosimetrie genutzt. Ein Großteil der Lagergüter wurde etnwendet.
Die Schrittgeräusche und Stimmen von draußen läuten unseren Rückzug ein. Im Schleichtempo geht es vorsichtig wieder über das Treppenhaus nach draußen und über den Wald
wieder zurück . Das Wetter ist mittlerweile freudndlicher geworden. Zwischen den Wolken kommt die Sonne immer öfters zum Vorschein. Im Sonnenschein wirkt Pripjat völlig anders
als vor ein paar Stunden unter einer dicken Wolkendecke. Der Rückweg führt an der Polizei- und der Feuerwehrwache vorbei. Für einen Sonntag ist es ungewöhnlich still und
menschenleer auf den Straßen. Die sonnige Kulisse und absolute Stille in dieser Gegend laden dazu ein auch hier ein paar Momente festzuhalten.
Video: Innenhof der Polizeiwache, verlassener ZiL - 130, Feuerwehrwache
In der gleichen Straße befindet sich das ehemalige Wohnungsamt von Pripjat. Der grosse Innenhof, das Rauschen der Bäume im Wind und die Wohnblocks im Hintergrund bilden
die perfekte Kulisse um für ein paar Minuten die Atmosphäre auf sich wirken zu lassen... Während die anderen eine kurze Verschnaufpause auf dem Innehof der ehemaligen
Elektrowerkstatt in der Lesja Ukrainka Straße einlegen, kommt ein Spaziergang in der umliegenden Gegend sehr gelegen. Ob und wofür dieses Objekt nach dem Unfall genutzt
wurde, lässt sich nur schwer sagen, jedenfalls deuten die halb zerlegten Transformatoren auf eine Aktivität der Schrottjäger aus der Zeit nach dem Unfall.
Noch einmal verlassen wir Pripjat um in der AKW Kantine für den Rest des letzten Tages Kräfte zu tanken. Es ist nicht nur ein kulinarisches Genuss das “das gewisse etwas” dieser
Einrichtung ausmacht. Die Kantine befindet sich direkt gegenüber der dritten Ausbaustufe, so kann man während des Essens die riesiegen Kräne bewundern. Der Test am Ganzkörper -
detektor direkt am Eingang zu der Kantine ist ebenso jedesmal ein sehr spannendes Highlight. Ich erinnere mich , als ich vor 3 Jahren zum Erstaunen einer Gruppe von Touristen den
Test nicht bestanden habe und dementsprechen draußen bleiben musste... Doch diesmal habe ich mehr Glück und das Lämpchen leuchtet grün auf... Nach dem hervorragenden Essen
geht es zurück nach Pripjat. Das Wetter hat sich endgültig gebessert und lädt zu einem Spaziergang entlang der allen bekannten Sehenswürdigkeiten der Stadt.
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Video: Auf dem Innenhof des Wohnungsamtes, Lesja Ukrainka Str. # 34