LostPlaces/Pripyat.de Tour Mai/Juni 2011
Tag III - Ende
Pripjat´s Mittelschule # 1 in der “Straße der Völkerfreundschaft” Nr. 15a wurde 1972 erbaut und hielt etwa 20 Jahre lang die Abwesenheit ihrer Schüler aus. Anfang
2000 haben vermutlich verstopfte Dachrinnen den massiven Einsturz des linken Flügels verursacht und somit den Anfang vom endgültigen Untergang der Stadt
eingeläutet. Mittlerweile hat ein weiteres Gebäude das gleiche Schicksal erlitten, doch dazu später. Das Schulgebäude sollte unter keinen Umständen betreten werden.
Das Schulgebäude ist von innen ebenso auffällig stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Ein Flügel ist noch halbwegs intakt. Hier befinden sich die unterschiedlichsten
Klassenräume - in der Sowjetunion gab es keine Trennung zwischen Grund- und Mittelschule, so lässt es sich anhand der herumliegenden Bücher und altersentsprechenden
Propagandaplakaten unschwer erkennen welche Altersgruppen in welchen Räumen untergebracht wurden. Viele Bücher kenne ich auch aus meiner Schulzeit...
Die Einsturzstelle. Die typischen Schäden die man mittlerweile an vielen Ziegelsteinbauten in Pripjat erkennen kann: als Erstes verstopfen die Dachrinnen, das wiederrum
verhindert das Abfließen des Regenwassers, bis es irgendwann seinen Weg findet. Der Frost im Winter lässt das Wasser gefrieren - und wenn der Putz erst mal runter ist,
ist es nur eine Frage der Zeit bis das Gleiche mit dem Zementmörtel zwischen den Ziegelsteinen geschieht. Eventuelle Bauschäden beschleunigen den Zerstörungsprozess.
Video # 1: Pripjat´s Schule Nr.1, Video # 2: Schulbank
Von hier aus geht es in Richtung Zentrum, zu der Musikschule in der Kurtschatow Str. 4a. Das Gebäude ist für seine kunstvoll gestaltete Fassade in einem für Pripjat´s
Kultureinrichtungen typischen “neosozialistischen” Stil bekannt. In den oberen Etagen deutet der Bodenbelag aus Plastik auf eine Nutzung der Räume nach dem Unfall hin.
Welche Organisation hier untergebracht wurde ist leider unbekannt. Ein paar Momente vom sonnigen Nachmittag vor der Musikschule als Video.
Als nächstes Ziel nehmen wir uns den Greifer vor, der am industriell geprägten Stadtrand in der Sawodskaja Str. steht. Die Geschichte des Greifers ist relativ unbekannt und
wirft viele Fragen auf. Die von ihm ausgehende hohe Strahlung deutet auf den direkten Einsatz am AKW während der ersten Unfallphase hin. Die Frage warum man den Greifer
ausgerechnet hier stehen ließ und nicht wie alles andere hochradioaktive irgendwo vergraben hat, bleibt ungeklärt. Man kann sich durchaus denken, dass er irgendeinen
Bezug zu dem nahegelegenen “Spezatom” auf dem ehemaligen Betriebsgelände der “Jupiter” hatte. Die Reste eines Roboterfahrzeuges, ein paar Meter weiter, könnten
diese Theorie bestätigen. Der Greifer eignet sich perfekt um diverse Messgeräte an den Rand ihrer Möglichkeiten zu bringen. SV-500 mit der FHZ 72T Sonde zeigt etwa 1 rad/h.
Hier verläuft die Grenze zwischen der Stadt und dem Wald. Der Wald ist mit den Spuren menschlicher Tätigkeit nach dem Unfall übersät: von Bauwagen - über diverse
Fahrzeugteile - bis einfache Haushaltsgegenstände ist hier alles zu finden. Ein vorbeifahrender UAZ, in der für die Zone typischen dunkelgrünen Färbung, unterbricht die hier
sonst herrschende Stille. Es sind die Dosimetristen, die ihre Mess Stellen um Pripjat wöchentlich kontrollieren und die Daten zum Auswerten einsammeln.
Auf dem Rückweg liegt Pripjat´s Polizeiwache und auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Feuerwehrwache. Die Garagen und der Innenhof der Polizei nutze man
zum Reparieren von den in der Zone eingesetzten Fahrzeuge. Ausgediente oder kontaminierte Fahrzeuge ließ man einfach an Ort und Stelle liegen. Dementsprechend sieht
es hier auch heute aus. Einige Fahrzeuge, wie der hübscheste BRDM der Zone, wurden verschrottet. Die Hinterachse und ein Stück der Front ist alles was heute an ihn erinnert.
Wie bereits oben erwähnt, liegt die Feuerwehrwache ziemlich genau auf der anderen Straßenseite. Nichts spektakuläres, bis auf die Hintergründe, dass von hier aus die
zweite Staffel der Feuerwehrmänner zum brennenden Reaktor gestartet ist. In der Gegend um die Feuerwehrwache sind noch weitere verschiedene Fahrzeuge und
kleinere Gebäude und Garagen vorzufinden. Hier könnte man noch Stunden verbringen, doch die Reise nähert sich unausweichlich ihrem Ende...
Die allerletzte Location auf dieser Reise ist die Buchhandlung oder “Das Haus des Buches” wie es sich wortwörtlich übersetzen lässt. Das ehemalige Geschäft für Bücher,
Atlasse und andere Druckmedien in der Straße der Völkerfreundschaft Nr.1a teilt seit einigen Monaten das gleiche Schicksal wie die oben erwähnte Mittelschule # 1 - die
gemauerten Sockel hielten der Last der Betondecke nicht stand. Die Reihe der eigenständigen Zerstörung der Stadt wurde somit unaufhaltsam fortgesetzt...
Hiermit war es das eigentlich auch schon wieder. Drei Tage Durchforsten der Zone sind nun vorbei. Wie jedes Mal auch, bleiben mehrere Wünsche offen: irgendwas hat man
wie immer vergessen oder einfach nicht beachtet. Die Besichtigung der Tschernobyl - 2 Antennen nehmen wir uns mit Sicherheit beim nächsten Mal vor. Hoffentlich werden
die Riesen die Möglichkeit bekommen, es bis zum nächsten Mal zu überstehen. Das Rad der Zeit dreht sich, auch wenn in der Zone etwas langsamer, jedoch wie immer
und überall - unaufhaltsam. Auf dem Rückweg, nach der fast schon üblichen Prozedur am Kontrollpunkt Dityatki, fahren wir noch einmal um die Koffer abzuholen am unserem
Camp “Ekopolis” vorbei. Ab hier geht es wieder nach Kiew zurück. Mir steht noch ein Wiedersehen mit meiner Heimatstadt bevor, doch dazu etwas später. Jetzt heißt es
nichts anderes wie - leb wohl Pripjat und die Zone... Nein. Auf Wiedersehen.
ENDE
PS: Für die Unterstützung & Hilfe sowie zur Verfügung gestellten Bilder
und einfach gute Laune, möchte ich mich bei allen Teilnehmern
(insbesondere Stalkz, Nohopenofear, bkv7601) recht herzlich
bedanken!!! (som3e)